Bob Bonies

In den Niederlanden hat die konstruktive Kunst eine lange Tradition. In den Zwanziger Jahren formierte sich die Gruppe “De Stijl”, welche die Entwicklung der konstruktiven Kunst und Gestaltung maßgeblich prägte und als eine der wichtigsten Strömungen der klassischen Moderne in die Kunstgeschichte einging. Das Credo des “De Stjil”-Kreises wirkt bis heute in Kunst, Architektur und Industrial Design der Niederlande nach, indem es in gestalterischen Kreisen im ästhetischen Programm “less is more” seine Fortsetzung findet.

Bob Bonies ist insofern ein Nachfolger des "de Stijl"-Kreises, als er sich nicht allein auf die freie Kunst konzentriert, sondern seine Tätigkeit auf Kunst am Bau, Industrial Design und Kunstpädagogik ausgeweitet und die Idee der Pioniere, die bildnerischen Aspekte auf die Umweltgestaltung zu übertragen, konsequent in der Praxis nachgelebt hat. Zudem ist Bonies sozusagen ein Pionier der zweiten Stunde, indem er durch seine konstruktive Malerei der geometrischen Richtung in der niederländischen Kunst in den Sechziger Jahren zu einem neuen Auftrieb verholfen hat.

Prototyp, 1965

Prototyp, 1965, Acryl on Wood, 30 x 30 cm

Möchte man Bonies’ Malerei eine gedankliche Leitlinie voraussetzen, so ließe sich am ehesten Josef Albers Theorie über “die Einheit in der Vielheit” und “die Vielheit in der Einheit” zitieren. Die Methodik des Künstlers richtet sich, bei aller Systematik, weniger auf das Programmatische, als vielmehr auf die Untersuchung des Potentials von Variablen. So entwickelt sich Bonies’ Malerei dann auch nicht in der seriellen Arbeitsweise, wie sie in der konstruktiven Domäne verbreitet ist, sondern setzt sich in zyklischen Werkfolgen fort, deren Themenkreise unter Verlagerung des Gesichtspunkts erneut aufgenommen werden. Determiniert in Bonies langjährigen Farb-/Formuntersuchungen ist allein die Handhabung der Farbe: Die Chromatik beschränkt sich bis heute auf vier Farben, die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie die Sekundärfarbe Grün (als Komplementärfarbe zu Rot) und die Nichtfarbe Weiß. Dem gegenüber erfährt sowohl die Auseinandersetzung mit der Form wie auch die Handhabung des Formats eine offenere Interpretation. Das Formenvokabular erstreckt sich auf unterschiedlich gewichtete, gerade begrenzte Flächenordnungen (Streifen, Balken, Dreiecke und Rechtecke) in den drei klassischen Richtungen, der Horizontale, der Vertikale und der Diagonale, und wird seit einigen Jahren auch um den Kreis bzw. das Kreissegment erweitert. Die Basisfarben und die Formelemente werden in wechselnden Ordnungssystemen, was Anzahl und Kombination betrifft, wiederum in zwei unterschiedlichen Bildtypen zur Artikulation gebracht. Einmal ist es die in sich geschlossene absolute Form des Quadrats, die Bonies’ Malerei bestimmt und auch in der Version der Stellung über Eck (Raute) zur Anwendung kommt, und zum zweiten ist es der sozusagen polar entgegengesetzte Typus des “shaped canvas”, der in die Bildüberlegung mit einbezogen wird. Diese in den Sechziger Jahren von amerikanischen Künstlern entwickelte neuartige Bildbegrenzung hatte zum Ziel, das traditionell rechteckige Bildformat zu sprengen, um Kongruenz zwischen Bildkonstruktion und -format zu schaffen und gleichzeitig zu einer verstärkten Objekthaftigkeit zu gelangen.

Möchte man nach einem gemeinsamen Nenner für den nun knapp vier Jahrzehnte umfassenden Visualisierungsprozeß von Bob Bonies suchen, so wäre dieser in der dynamischen Extension auf der Basis eines spannungsgeladenen Kräfteausgleichs zu finden. So kombiniert Bonies z.B. im Quadratformat die Progression mit dem Rotationsmoment und führt gleichzeitig die Konstruktion quasi über die Bildgrenzen fort (Ohne Titel, 1986, S. 22). Oder er nimmt im “shaped canvas” durch das Aufklappen des oberen Bildteils eine Verschiebung der Diagonalachse vor (Ohne Titel, 1987, S. 30). Diese virulente Dynamisierung der Elemente erfährt aktuell durch die Wiederaufnahme, der in den Sechziger Jahren entwickelten Methode des Aussparens (Ohne Titel, 1966, S. 19) und den Einbezug des Kreissegments (Ohne Titel, 2002, S. 29) eine weitere Steigerung. In den mehrteiligen Bildern werden einzelne, die Gesamtheit konstituierende Bildteile vollständig weggelassen und die Ergänzung der dadurch entstandenen “Fehlstellen” nur in der Vorstellung ermöglicht (Ohne Titel, 2003, S. 42). Auch ist das zugrundeliegende System der proportionalen Flächenteilungen im mehrteiligen Bild nun schwieriger einsehbar. Bonies Intention der letzten Jahre geht damit von der anfänglich elementaren Ordnung in Richtung einer größeren Komplexität, ohne daß der Künstler auf das reduktionistische Gedankengut verzichtet. Weiterhin basiert die Bildorganisation auf der Interpretation von Progression, Rotation, Achsenverschiebung und Aussparung, nur ist der extensive Charakter in den aktuellen Werken stärker akzentuiert.

Prototyp, 1967

Prototyp, 1967, Acryl on Wood, 30 x 30 cm

Vor dem gesellschaftlichen Hintergrund läßt sich diese Tendenz der Entgrenzung unschwer als Zeichen von Bonies’ demokratischem Kunstverständnis und charakteristischer Weltoffenheit interpretieren. So hat Willy Rotzler Bonies’ Malerei in die Metapher des Segelns übertragen. Sein Werk sei “blank wie ein Segel, auf das Allernotwendigste reduziert” und es verrate eine “herbe Heiterkeit, eine Weite des Blicks, wie sie für ein Küsten- und Seefahrervolk typisch sein mag” (Rotzler, Willy: Bob Bonies und Nelly Rudin. In: Zwei Künstler aus zwei Ländern - Nelly Rudin, Bob Bonies. Zuger Kunstgesellschaft (Hrsg.), 1989). Heiter und gelassen kommt Bonies’ Malerei einher, vom Pioniergeist der Sechziger Jahre beflügelt, als sei der Künstler jederzeit bereit, seine piktoralen Intentionen in die Weltmeere hinaus zu senden.

Elisabeth Grossmann